Derselbe

KARRIERE-LIT: Herr Wehlim, wann haben Ihre Verlage bemerkt, dass Sie immer denselben Roman schreiben? WEHLIM: Die erste Nachfrage kam etwa nach sieben Jahren. Eine Lektorin wollte wissen, ob es mir gut gehe. Später habe ich erfahren, dass sie sich sogar dafür einsetzen wollte, dass ich eine Honorar-Erhöhung kriege, damit ich für etwas Neues recherchieren kann. KARRIERE-LIT: Und Sie schreiben immer noch denselben Roman? WEHLIM: Ganz genau. Wort für Wort. Den Titel ändere ich allerdings immer, und manchmal die Namen der Haupt-Charaktere, aber das ist auch alles. KARRIERE-LIT: Viele Menschen hassen es, immer dasselbe zu schreiben oder zu lesen. Warum also machen Sie das? WEHLIM: Man spart so viel Zeit und Mühe! Früher habe ich mich bei jedem Roman gefragt: Ist das jetzt ein Fortschritt oder ein Rückschritt gegenüber meinem letzten Roman? Habe ich jetzt etwas Neues geschaffen? Das waren alles sehr quälende Fragen. Damit ist es nun vorbei. KARRIERE-LIT: Welche Erfahrungen haben Sie denn gemacht: Hat Ihnen die eher Vor- oder Nachteile gebracht? WEHLIM: Nur Vorteile. Ich habe mehr Zeit, mich auf die wirklich wichtigen Dinge zu konzentrieren, z. B. meine Familie, meine Auschwitz-Modelleisenbahn im Haus. Wie viele Stunden ich sonst am Schreibtisch verbracht hätte! KARRIERE-LIT: Gibt es denn schon Nachahmer? WEHLIM: Ich bekomme jeden Tag haufenweise E-Mails von Schriftstellern und Schriftstellerinnen aus aller Welt, die sich an mir ein Beispiel nehmen. Die Hälfte aller Bestseller-Autoren praktiziert diese Strategie mittlerweile, auch wenn es niemand offen zugegeben will. KARRIERE-LIT: Und Sie haben sich in den vergangenen Jahren nie danach gesehnt, mal etwas anderes zu schreiben? WEHLIM: Nein, keine Sekunde lang. KARRIERE-LIT: Herr Wehlim, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.